Christof Schöch bezeichnet sich mit eigenen Worten als Digitalen Romanisten. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Computerphilologie sowie Lehrbeauftragter am Institut für Romanistik der Universität Würzburg. In romanische studien hat er einen interessanten Beitrag zu TEI (Text Encoding Initiative) und ihrem Nutzen für Textedition und Textanalyse in den Digital Humanities veröffentlicht, den wir hier republizieren.
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Abstract
Die stetig voranschreitende Digitalisierung literarischer Texte verschiedenster Sprachen, Epochen und Gattungen stellt die Literaturwissenschaften immer wieder vor die Frage, wie sie diese Entwicklung mitgestalten und zu ihrem Vorteil nutzen können. Dabei ist digital nicht gleich digital, sondern es existiert eine Vielzahl sehr unterschiedlicher, digitaler Repräsentationsformen von Text. Nur wenige dieser Repräsentationsformen werden literaturwissenschaftlichen Anforderungen tatsächlich gerecht, darunter diejenige, die den Richtlinien der Text Encoding Initiative folgt. Der vorliegende Beitrag vergleicht zunächst einige derzeit gängige digitale Repräsentationsformen von Text. Für literaturwissenschaftliche Forschung besonders geeignet erweist sich hierbei eine Repräsentationsform, die den Richtlinien der Text Encoding Initiative folgt. Daher informiert der Beitrag anschließend über deren Nutzen für die literaturwissenschaftliche Arbeit, sowohl im Bereich der wissenschaftlichen Textedition als auch im Bereich der Analyse und Interpretation von Texten. Nur wenn die Literaturwissenschaften in ihrer Breite den Nutzen von offenen, expressiven, flexiblen und standardisierten, langfristig nutzbaren Formaten für die Forschung erkennen, können sie sich mit dem erforderlichen Nachdruck für deren Verbreitung einsetzen und durch die zunehmende Verfügbarkeit von Texten in solchen Formaten für die eigene Forschung und Lehre davon profitieren.
Autor: Christof Schöch
Einleitung
Eine der zentralen Einsichten der Literaturwissenschaften im 20. Jahrhundert war die analytische Unterscheidung von Form und Inhalt bei gleichzeitigem Bewusstsein ihrer untrennbaren Verbundenheit und gegenseitigen Abhängigkeit.1 Das medientheoretische Analogon dieser Einsicht formulierte Marshall McLuhan in seinem Diktum "The medium is the message".2 Und die Editionswissenschaften haben sich ausführlich der Frage gewidmet, wie sich Manuskripte, Typoskripte, Druckfahnen und verschiedene Textausgaben zueinander verhalten und damit auch die Frage nach der Beziehung zwischen den materiellen Trägern des Textes und seiner Überlieferungsgeschichte untersucht.3 So ist in unterschiedlichen Bereichen immer wieder deutlich geworden, wie eng Inhalt, Form und Medium zusammenhängen. Mit dem sich seit den 1960er Jahren entwickelnden, seit den 1990er Jahre rasant an Fahrt gewinnenden digitalen Paradigmenwechsel in Gesellschaft und Wissenschaft ist ein neuer Aspekt der medialen Realisierungsformen (literarischer) Texte hinzugekommen, der erst in jüngerer Zeit in das Blickfeld des Interesses gerückt ist: Welchen Unterschied macht es, wenn (literarische) Texte nicht in Form von Handschriften oder gedruckten Büchern, sondern (wie dies zunehmend der Fall ist) in Form von Dateien, also digitalen Textdaten, vorliegen? Wie kann ein ursprünglich gedruckt erschienener Text adäquat ins digitale Medium überführt werden, und welche digitalen Repräsentationsformen sind verfügbar? Inwiefern spielt die jeweilige digitale Repräsentationsform eine Rolle für die Rezeption und Interpretation eines (literarischen) Textes? Welche Möglichkeiten und Herausforderungen eröffnet das Vorliegen digitaler Texte für die Bearbeitung literaturwissenschaftlicher Fragestellungen, und wie verändern sich die hierfür eingesetzten Methoden?