Die Ökonomisierung des politischen Denkens

Die Ökonomisierung des politischen Denkens In der Geschichte Spaniens gilt die Regierungszeit Karls III. (1759 bis 1788) als Hochphase politischer Reformen im Zeichen der Aufklärung. Doch in der europäischen Historiographie zur Aufklärung findet Spanien bestenfalls am Rande statt. Das mag daran liegen, dass spanische Denker nur wenige Ideen von europäischer Tragweite hervorbrachten. Dabei wird aber übersehen, dass Spanien eines der wenigen Länder war, in dem die Vordenker von Reformen auch gleichzeitig die Reformer waren. Die besten Köpfe der spanischen Aufklärung hatten die höchsten Regierungsämter inne. Sie waren nicht ausschließlich Theoretiker, sondern verfolgten konkrete politische Maßnahmen. Eine neue Hamburger Dissertation widmet sich nun der besonderen Form der spanischen Aufklärung in der Zeit Karls III.

Die Autorin Alexandra Gittermann hat dafür erstmals auch die frühen italienischen Regierungsjahre des Königs untersucht, denn als Karl III. den spanischen Thron bestieg, blickte er bereits auf 25 Jahre „Berufserfahrung“ als König von Neapel und Sizilien zurück. Dabei räumt sie überzeugend mit dem vermeintlichen neapolitanischen Einfluss auf das spanische Denken auf. Vielmehr arbeitet sie die starke eigenständige Entwicklung der Aufklärung in zwei streng katholischen Staaten heraus.

Die Dissertation ist soeben erschienen:
Alexandra Gittermann: Die Ökonomisierung des politischen Denkens. Neapel und Spanien im Zeichen der Reformbewegungen des 18. Jahrhunderts unter der Herrschaft Karls III., Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008 (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 13). Verlags-Info.

Kiosko ermöglicht das Durchstöbern der Titelblätter

Kiosko - Titelseiten Internationaler Zeitungen

Für viele netzkundige Leserinnen und Leser ist Kiosko unter seiner alten Adresse schon lange ein Geheimtipp zum kioskartigen Durchstöbern der Titelblätter internationaler Zeitungen gewesen. Nun ist das Zeitungsportal mit noch mehr Inhalten ausgebaut worden und ist unter der neuen – leicht merkbaren – Adresse kiosko.net erreichbar. Obiger Screenshot zeigt die Auswahl spanischer Tageszeitungen, die sich nochmals in die Gruppen general, economía, deportivo und gratuitos oder auch regional nach centro, Castilla y León, Madrid, Castilla-La Mancha, Aragón und La_Rioja unterteilen lässt.

Die Funktionsweise ist der eines realen Kioskbesuches nachempfunden: Wie im Zeitungsständer aufgebaut sehen wir die Titelblätter noch teilweise verdeckt, durch Überfahren des Mauszeigers werden sie in ganzer Voransicht angezeigt. Ein Klick darauf zeigt die Titelblätter schließlich in groß (mit der Möglichkeit die Schlagzeilen zu überfliegen) und ein nochmaliger Klick führt zur Online-Ausgabe des Blattes.

Weitere Länder- bzw. Staatenübersichten aus USA, Europa und Asien sind auf kiosko.net im Angebot und in einem eigens eingerichteten Blog wird kontinuierlich über Erweiterungen des Projektes informiert.

[via eCuaderno]

Rafael Chirbes – Lesereise zu Crematorio

Rafael Chirbes - Crematorio Rafael Chirbes kommt in diesem Herbst auf eine kleine Lesereise nach Deutschland und Österreich, um seinen in Kürze (09/2008) auf Deutsch erscheinenden Roman »Crematorio« vorzustellen.
Die Termine im Einzelnen:
25.09. Hamburg | 26.09. Hannover | 27.09. Bonn | 28.09. Köln | 29.09. Düsseldorf | 30.09. Frankfurt | 01.10. Berlin | 02.10. München | 03.10. Wien
Uhrzeit jeweils 19:30 Uhr, außer München 20 Uhr; Details zu den einzelnen Lesungen gibt es auf der Website des Kunstmann-Verlages unter Termine. Zur Lesung in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, mit der die Lesereihe startet, wird es rechtzeitig einen Hinweis im Stabi-Blog geben.

Rafael Chirbes - Krematorium Die deutsche VerlagsinformationLeider ermöglicht die Website von Kunstmann keine direkte Verlinkung. Sie erreichen die Information zum neuen Roman von Rafael Chirbes, wenn Sie auf der Website oben links unter Detailsuche Krematorium eingeben. kündigt den Roman mit diesen Worten an:

»Aus unterschiedlichen Perspektiven entsteht ein grandioses Gesellschaftspanorama: die Familie als Ort des Besitzdenkens, die Zerstörung der Umwelt, Bauspekulation, schmutzige Geschäfte, Korruption, Drogen. Sexualität als Ware und gleichzeitig letzter Halt gegen die Auflösung jeglicher Verbindungen.«

Eine Leseprobe aus »Krematorium«, der deutschen Übersetzung von Dagmar Ploetz, ist auch auf den Seiten des Kunstmann-Verlages einsehbar (oder direkt über diesen Link, Format:PDF, 22 S.).

Rafael Chirbes, der für »Crematorio« den Premio Nacional de la Crítica erhalten hat (siehe Papel en blanco), bezog im vergangenen Monat in der baskischen Zeitschrift Argia deutlich Stellung, als Aritz Galarraga ihn zum Interview bat. Dank der Übersetzung von Mikel Iturria liegt das Interview in seinem Blog Pedradas auch auf castellano vor. Chirbes antwortete dort auf die Frage:

Aritz: Su última novela es especialmente dura, un retrato ácido de la sociedad actual. ¿Estamos tan mal, señor Chirbes?

Chirbes: Si le digo la verdad, todo esto parece el fin de una era. Concluye el ciclo que comenzó con el Siglo de las Luces. El triunfo de la sinrazón y del individualismo es tan rotundo como el conseguido por Escipión el Africano en Cartago y, tras el triunfo, los campos han sido sembrados de sal para que no crezca nada nuevo. Ya no quedan ni las palabras de aquellos ideales del siglo XX: la lucha de clases, el proletariado y la revolución parecen ya términos de la prehistoria. Ahora no sabemos cuál es nuestro malestar y, por tanto, tampoco sabemos cómo denominarlo. Vemos una injusticia, pero nadie parece culpable. A quien se siente explotado le llaman inadaptado o se habla de mobbing. En vez de ir a las barricadas o a la reunión de la célula, ahora vamos al psicólogo.

Lesen Sie das komplette Interview auf Pedradas: Aritz Galarraga entrevista a Rafael Chirbes.

Weitere Informationen von und über Rafael Chirbes finden Sie auch auf cibera über eine entsprechende Abfrage der Metasuche cibera.

Juan José Millás: Biografía de una mosca

La Mosca. Quelle: Flickr Juan José Millás veröffentlicht heute in El País einen Essay, in dem er das Leben – und das unvermeidliche Sterben – zweier Fliegen über einige Wochen langzeitbeobachtet hat und in dem er sich Gedanken zu den Parallelen Mensch-Mücke macht. Protagonisten seiner mikroskopischen Beobachtungen zwischen Alltag, Poesie und Wissenschaft sind Catalina (in der Hauptrolle) und Prudén (in der Nebenrolle):

[…] Observado al microscopio, el capullo deja ver en su interior las distintas partes del animal: sus llamativos ojos (enormes y de un rojo bermellón intensísimo), su tórax, su abdomen, sus alas plegadas. Gracias a la paciencia y a los cuidados de Manolo Calleja, pude observar a Catalina (y a Pruden) en cada uno de esos estadios, todos ellos admirables, aunque ninguno tan extraordinario como el del alumbramiento. Si la naturaleza fuese sabia de verdad, sonaría una música de violines cada vez que sucede. Y es que, llegada que fue la hora, Catalina humedeció con una sustancia procedente de su trompa los bordes de una especie de opérculo situado en uno de los extremos del pupario, de modo que la puerta se abrió y ella asomó la cabeza, luego el tórax, con sus tres pares de patas que se agitaban en el aire con la elegancia de otras tantas batutas de un director de orquesta. […]

Weiter auf El País in der Reihe REPORTAJE – VIDAS AL LÍMITE: Biografía de una mosca.

Quellen von und über den spanischen Autor und Journalisten Juan José Millás finden Sie über die Metasuche cibera von cibera.
Foto: La Mosca von Gustavo (lu7frb) auf Flickr.

SEDIC gibt Lesetipps für den Sommer

SEDIC - Blog Das bibliothekarische Blog SEDICIn dem stets sehr informativen spanischen Gemeinschaftsblog berichten Informationsexperten aus den Bereichen Bibliothekswesen, Dokumentation und Archiv zu Themen Ihrer Arbeitsgebiete, siehe Selbstbeschreibung auf SEDIC hat den Monat Juli zum Lesetipp-Monat erklärt (Tema del mes de julio 2008: Leer en verano). Zuvor wurden die socios von SEDIC in einem Fragebogen nach Lektüreempfehlungen und (warum nicht?) Lektürewarnungen gefragt, sowie welche Bücher sie sich speziell für diesen Sommer vorgenommen haben. Die so entstandenen Lektüreempfehlungen und -warnungen werden nun nach und nach im SEDIC-Blog veröffentlicht. Nicht uninteressant zu sehen, was die Experten so ausgewählt haben und was sie zu den einzelnen Büchern in aller Kürze schreiben.

Hábitos de Lectura y Compra de Libros 2006 Am Rande erwähnt wird auf SEDIC eine Quelle für die hinlänglich bekannte Information, dass in Spanien sehr wenig gelesen wird, und zwar die Studie »Hábitos de Lectura y Compra de Libros 2006«. Die vom Verband der spanischen Verlage (Federación de Gremios de Editores de España)Bei SEDIC wird irrtümlicherweise der spanische Buchhandelsverband (CEGAL, Confederación Española de Gremios y Asociaciones de Libreros) als Auftraggeber der Studie angegeben. in Auftrag gegebene Studie wird in der Zusammenfassung von SEDIC wie folgt auf den Punkt gebracht:

…un 40% de los españoles no lee ningún libro a lo largo del año y un 49% realiza entre 1 y 12 lecturas, es decir una media inferior a una por mes. Por tanto el porcentaje de lectores que superan las 12 obras al año se limita al 11%.

Die im Januar 2007 veröffentlichte Studie bietet natürlich noch wesentlich genauere Daten zum Lektüre- und Buchkaufverhalten in Spanien. Sie umfasst 83 Seiten und kann hier im Format PDF heruntergeladen werden: »Hábitos de Lectura y Compra de Libros 2006«.

Brigadistas und Podiumsdiskussion zum Spanischen Bürgerkrieg

Cover Brigadistas
Eine Sängerin trägt Ay Carmela auf einer Abend-
veranstaltung in Zaragossa vor. Foto: D. Burkholz

Hiermit möchten wir auf die Präsentation des Dokumentarfilms »Brigadistas« von Daniel Burkholz hinweisen, die am Dienstag, 15. Juli 2008, um 20 Uhr, im Kino Central, Rosenthaler Str. 39, 10178 Berlin, mit anschließender Podiumsdiskussion („Welche Auswirkungen hat der Spanische Bürgerkrieg auf das Spanien von heute?“) stattfinden wird.

Die Moderation wird der ehemalige MdB und Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Prof. Heinrich Fink, übernehmen. Die Widerstandskämpferin Lore Krüger, der Direktor des Cervantes Instituts Berlin Gaspar Cano Peral, die Schriftstellerin Mercedes Alvarez, der
Politologe Prof. Ignacio Sotelo und der Regisseur Daniel Burkholz werden ebenfalls an der Podiumsdiskussion teilnehmen.

El País schrieb über »Brigadistas« im Artikel »Regreso a la trinchera«:

El protagonista absoluto del filme es el testimonio en primera persona de estos hombres y mujeres que se prestaron libremente a luchar por las libertades de un país desconocido al que retornan ahora, en el final de sus vidas, para recibir un agradecido reconocimiento del pueblo español.

Den Trailer zum Film sehen Sie hier:


Direktlink YouTube

Ausführliche Informationen (Hintergrund, Pressespiegel, Fotos) zu »Brigadistas« finden Sie auf den Seiten von Roadside.

Der Film wird im spanischen Original mit deutschen Untertiteln gezeigt. Wer den Dokumentarfilm in Berlin nicht sehen kann, hat noch eine Chance ihn bei der im Rahmen der medica mondiale stattfindenden Aufführung in Köln am Samstag, den 19. Juli ab 21 Uhr zu betrachten (nähere Informationen siehe Roadside).

Die ‚Transición‘ erreicht nach mehr als 30 Jahren auch den spanischen Fußball

Spezial zur Euro 2008
El País-Spezial zur Euro 2008

Am Sonntag wurde die spanische Nationalmannschaft nach 44 Jahren erneut Fußballeuropameister – der erste internationale Titelgewinn seit der Franco-Diktatur. Der spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero kommentierte das Ereignis mit den Worten: „ … se ha cerrado la transición en el fútbol español con esta gran victoria.“ (El País). Er setzt damit dieses sportliche Ereignis in Beziehung zu der Zeit nach Francos Tod im Jahre 1975, als in Spanien ein friedlicher Übergang zur Demokratie gelang.

Gerade in der spanischen Fußballnationalmannschaft hatte sich in den letzten Jahrzehnten eines der größten innenpolitischen Probleme des Landes gezeigt – der Konflikt mit einigen Autonomieregionen, insbesondere mit dem Baskenland und Katalonien. Alle Betrachter sind sich einig, dass es unter dem Trainer Luis Aragonés zum ersten Mal gelang, eine Mannschaft zusammenzustellen, in der Spieler aus dem ganzen Land eine Einheit bilden. Das gilt sogar für die rivalisierenden Clubs Real Madrid und FC Barcelona, die in der Fußballwelt den Konflikt zwischen der Regierung in Madrid und der Generalitat de Catalunya widerspiegeln.

Spanische Mannschaft feiert Trainer AragonésVergleicht man die ausführliche online-Berichterstattung der spanischen Tageszeitungen, so wird deutlich, dass nicht nur in Madrid, sondern auch in Barcelona gejubelt und gefeiert wird, wenn auch in Barcelona mit kritischen Untertönen. Der Artikel »Los campeones de Europa reciben la enhorabuena de la Familia Real y Zapatero« der wichtigsten katalanischen Tageszeitung „La Vanguardia“ über den Empfang der „selección“ durch die königliche Familie und den Regierungschef in Madrid wurde mehr als 300 mal von Lesern kommentiert – auf spanisch oder katalanisch, aus Barcelona aber auch aus Madrid. Die vielfältigen Kommentare vermitteln einen guten Eindruck von der mittlerweile sehr differenzierten Stimmungslage in Katalonien und darüber hinaus.

Spanische Geschichte für die breite Öffentlichkeit

Wer Überblickswerke zum spanischen Weltreich suchte, blieb lange Zeit auf die englischsprachige Historiographie verwiesen. Erst in den letzten Jahren lässt sich anhand vieler deutschsprachiger Neuerscheinungen ein frischer Trend zu zusammenfassenden Darstellungen erkennen, die die Erträge der spezialisierten Forschung synthetisieren und einem breiteren Publikum zugänglich machen.

Die gut lesbare Vermittlung historischer Forschungsergebnisse gewinnt seit einigen Jahren – nicht zuletzt aufgrund des andauernden Rechtfertigungsdrucks auf die Geisteswissenschaften – rasant an Bedeutung. Was es heißt, Fachwissen anschaulich zu gestalten, konnte ich als wissenschaftlicher Berater bei GEO Epoche zum Thema „Weltmacht Spanien“ erleben. Beratung meint hier Mitarbeit bei der Heftkonzeption, Literaturauswahl für die Autoren und kritische Durchsicht der fertigen Artikel (Was macht eigentlich ein Fachberater?).

GeoEpoche: Als Spanien die Welt beherrschte Zwischen Wissenschaft und Journalismus
Plötzlich aus meinem wissenschaftlichen Schreibkontext in den Journalismus versetzt, sah ich das Verfassen von Geschichte mit ganz anderen Augen. Schreiben nicht als Dokumentation des eigenen Erkenntnisgewinns, sondern als Kommunikation mit Lesern. Während ich mir selber gelegentlich vorgaukle, mich an „historisch interessierte Laien“ zu richten, musste ich nun lernen, was es bedeutet, wirklich für historisch interessierte Laien zu schreiben. Bei aller Zuspitzung in journalistischen Texten bedeutet es nämlich in erster Linie erklären und nochmals erklären. Ohne Fußnoten. Personen, Orte, Ereignisse müssen charakterisiert und anschaulich werden. Wer ist das? Wo liegt es? Wie kam es dazu? Das Ganze spannend und unmissverständlich formuliert. Man kann hier ohne weiteres einwenden, dass wissenschaftliches Schreiben keinen Spannungsbogen braucht, Komplexität aufzeigen und nicht kaschieren soll und ohnehin auf einem ganz anderen Abstraktionsniveau angesiedelt ist – doch jeder, der einmal versucht, Philipp II. für den erwähnten Laien in einem Satz zu charakterisieren, wird verstehen, wo die besondere Schwierigkeit liegt.
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