‚La francesa Laura‘ – KI entdeckt unbekanntes Stück von Lope de Vega

(Cuéllar/ Vega 2023: 134 | CC-BY Esta obra está bajo una licencia internacional Creative Commons Atribución 4.0.)

Gerade in der Forschung zum Siglo de Oro werden immer wieder Fragen nach der Autorschaft verhandelt: Wer steckt hinter der Fortsetzung des Don Quijote oder wer schrieb die berühmte novela picaresca La vida de Lazarrillo de Tormes? Die Literaturwissenschaftler Álvaro Cuéllar (Universität Wien) und Germán Vega García-Luengos (Universidad de Valladolid) sind diesen Fragen nachgegangen und haben die digitalisierten Bestände der spanischen Nationalbibliothek mit digitalen Technologien untersucht. Mithilfe von KI-unterstützten stilometrischen Analysen konnte nun die Autorschaft eines anonymen Manuskripts aus dem späten 17. Jahrhundert zugeordnet werden: Es entstamme der Feder von keinem Geringeren als dem großen Dramatiker Lope de Vega.

Im Januar diesen Jahres publizierten die Wissenschaftler ihre Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift Anuario Lope de Vega unter dem Titel ‚«La francesa Laura». El hallazgo de una nueva comedia del Lope de Vega último‘.  Darin schlagen sie vor, die Komödie „La francesa Laura“ in das Oeuvre von Lope de Vega aufzunehmen. Der Text eines anonymen Manuskripts aus dem späten 17. Jahrhundert wurde zuvor nie mit Lope de Vega in Verbindung gebracht.

El trabajo propone que se considere la inclusión en el repertorio de Lope de La francesa Laura, una comedia conservada en un manuscrito anónimo de la BNE, nunca antes relacionada con el dramaturgo. (Cuéllar/ Vega 2023: 131)

Der Autor der Arte nuevo de hacer comedias war bereits ein halbes Jahrhundert zuvor verstorben, es handelt sich auch nicht um Lope de Vegas Handschrift.

„Es una copia de otra copia, o quizás del original, está datada a finales del siglo XVII, varias décadas después de muerto Lope, y está escrita por tres manos, una por acto” sagte Germán Vega von der Universidad de Valladolid gegenüber El País. Um das Manuskript dennoch dem Korpus der Dramen von Lope de Vegas zuordnen zu können war eine Kooperation der Spanischen Nationalbibliothek mit dem Projekt ETSO: Estilometría aplicada al Teatro del Siglo de Oro notwendig. Zwischenzeitlich waren bis zu 150 Personen an diesem Projekt beteiligt, darunter auch Expert:innen der Forschungsgruppe PROLOPE der Universitat Autònoma de Barcelona, die sich das Ziel gesetzt haben, eine kritische Edition des Gesamtwerks Lope de Vega herauszugeben.

(Cuéllar/ Vega 2023: 136 | CC-BY Esta obra está bajo una licencia internacional Creative Commons Atribución 4.0.)

Zunächst wurden die entsprechenden Manuscritos teatrales aus berühmten Sammlung der BNE (ca. 85.000 Exemplare) in mühevoller Arbeit mit dem Tool Transkribus volltexterschlossen und für die Experimente vorbereitet. Für das Training der OCR-Engine – notwendig für eine gute automatische Texterkennung – wurden gut 3 Millionen richtig erkannte Wörter aus ca. 1.300 Werken des Siglo de Oro benötigt. Die so erstellte Transkription wurde in den Korpus von ETSO übertragen. „Es un corpus que contiene unas 2.800 comedias de 350 autores, casi todos del XVII, aunque también hay del XVI. […] Con esta herramienta se realizan estudios para desentrañar problemas de autoría” – so Vega.

Mit Hilfe des Stilometrie-Tools Stlyo werden dann stilistische Vergleichsanalysen mit Texten aus der ETSO-Datenbank durchgeführt. Beispielsweise werden die 500 häufigsten Wörter des untersuchten Textes mit den 500 häufigsten der anderen Werke verglichen. Im Fall von „La francesa Laura“ wurde festgestellt, dass die 100 ähnlichsten Werke fast alle von Lope stammen und dass das ähnlichste Werk von allen „El castigo sin venganza“ aus dem Jahr 1631 ist.

(Cuéllar/ Vega 2023: 137 | CC-BY Esta obra está bajo una licencia internacional Creative Commons Atribución 4.0.)

Stylo ist ein relativ verbreitetes, kostenloses Open-Source-Tool zur Bearbeitung von Fragen der Autorschaftsattribution, Genre- oder Epochenklassifikationen oder stilistischen Entwicklungen einzelner Autor:innen. Weitere Informationen zu Stylo auf der Seite von ForText von Jan Horstmann (Link) und auf Hypotheses von José Calvo Tello (Link).


Es ist bemerkenswert, dass die traditionellen Methoden der Literaturwissenschaft, die Ergebnisse der KI unterstützen. So wurden Metrik analysiert, die Figuren sowohl in Anzahl als auch in ihrer Charakterisierung als typisch für Lopes Werk identifiziert und die Verweise auf die außerliterarische Wirklichkeit historisiert. Die Themen, Ideen und lexikalischen Strukturen erlauben darüber hinaus eine Datierung von La francesa Laura auf die „periodo final“ des Dramatikers. Es sei davon auszugehen, dass mit Hilfe der neuen Methoden weitere Manuskripte dem Werk Lope de Vegas, einem der bedeutendsten Namen der spanischen Literaturgeschichte, zugeordnet werden können (Morales 2023). So schließen die Autoren der Studie mit Verweis auf Lope de Vegas Worte:

La comedia ha permanecido de incógnito durante siglos, merced a su «pobre aliño indumentario» de manuscrito anónimo y tardío, poco adecuado para suscitar el interés de curiosos e investigadores. Han tenido que ser los fríos ojos digitales, inasequibles a las meras apariencias, los que han puesto ante nosotros la evidencia de que no es una obra huérfana más, sino que tiene genes más que suficientes para optar a ser tenida por hija de quien como ningún otro había promovido y practicado el arte nuevo de hacer comedias: el viejo Lope —todo apunta hacia él y hacia esa edad— a pocos años de poner fin a la carrera más prolífica de entre todos los grandes de la dramaturgia universal, condición que aún apuntalaría más un hallazgo como este. (Cuéllar/ Vega 2023: 183)


Literatur:

 

 

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