Die Erschießung von Federico García Lorca als Dokudrama

Am 18.8.1936 – heute vor 85 Jahren – wurde Federico García Lorca von Francos Milizen erschossen. Als Künstler, Intellektueller, Linker, Homosexueller steht Lorca für vieles, das nicht in die Vorstellungen des Frankismus passte. Die Suche nach seinem Grab steht stellvertretend für eine immer noch virulent geführte Debatte um den Umgang mit der spanischen Vergangenheit. RTVE zeigt in seiner Mediathek zu diesem Anlass die Serie Lorca, muerte de un poeta:

Lorca, muerte de un poeta

In sechs Teilen bringt die Serie Lorcas Leben mit Nickolas Grace in der Hauptrolle und unter Einbindung von Archivaufnahmen als Dokudrama auf den Bildschirm. Sie basiert auf frühen Arbeiten des großen Lorca-Bibliographen Ian Gibson. Seit der Erstausstrahlung im Jahr 1987 hat sich freilich der Kenntnisstand in manchen Punkten geändert. So darf der hier präsentierte Status von Emilia Llanos als „el gran amor“ von Lorca  angezweifelt werden – die homosexuellen Beziehungen des Dichters wurden schließlich lange geleugnet. Auch Lorcas Familie war dabei eher hinderlich, etwa im Falle der 1935 und 1936 entstandenen Sonetos del amor oscuro. Diese Texte lassen sich als homosexuelle Gedichte lesen, wie es etwa Horst Weich tut.[1] Diese Gedichte wurden erst spät von Lorcas Familie freigegeben und erschienen erstmals 1984 in der Zeitung ABC.

Die Serie ergibt sich der charmanten Verführung des Biographismus, Lorcas Leben nach Titeln aus dessen literarischem Œuvre einzuteilen und zu beschreiben – und spricht von amor oscuro in Bezug auf die Zeit von 1925-1928, in der Lorca einen intensiven Austausch mit Salvador Dalí hat. Darin will Lorca nach einer verbreiteten Annahme auch eine erotische Ebene einbringen. Das sind freilich Bedeutungseinengungen der komplexen Texte Lorcas, in denen auch die oscuridad als Stilbegriff lesbar ist, die etwa nach Lorcas intensiver Auseinandersetzung mit dem Barockdichter Góngora präsent ist – oder schlichtweg auch als Bezeichnung für eine drastische, blutige, selbstzerstörerische Erotik, welche die Sonetos del amor oscuro prägt:

Rasgué mis venas, tigre y paloma, sobre tu cintura en duelo de mordiscos y azucenas. (Federico García Lorca, El poeta pide a su amor que le escriba)

So oder so fängt die Serie zahlreiche Episoden des spannenden Lebens von Federico García Lorca ein, das durch seine engen Verbindungen mit der Zeitgeschichte und den neuesten kulturellen und künstlerischen Bewegungen immer auch ein Stück spanischer Kulturgeschichte ist.

Passend zu diesem Jahrestag ist übrigens die heutige Meldung, dass die Enkelin eines anderen Erschossenen in Straßburg Klage eingereicht hat und verlangt, dass der spanische Staat die Leiche ihres Großvaters und die der anderen Erschossenen sucht. Weiterlesen bei ABC: abc.es

zur Übersichtsseite von RTVE mit allen Teilen der Dokumentation: rtve.es


[1] Weich, Horst: „Obskure Begierden. Blumenmetaphorik und kodierte Körperlichkeit in Lorcas Sonetos del amor oscuro“, in: Bernhard Teuber, Horst Weich, Hgg., Iberische Körperbilder im Dialog der Medien und Kulturen, Frankfurt/M.: Vervuert 2002, S. 187-200.

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