Miguel Delibes ‚tötete‘ einst seine Romanfigur Mario, um der frankistischen Zensur zu entgehen. Am 17. Oktober 2020 wäre er 100 Jahre alt geworden – Anlass für eine Würdigung in der Biblioteca Nacional de España.
Der Autor ist nicht zuletzt für seinen Fokus auf ausgegrenzte Figuren und auf Unterdrückungsmechanismen bekannt. Spannend ist beispielsweise die Autozensur seines Werks Cinco horas con Mario (1966): Um eine Veröffentlichung mitten im Frankismus zu erreichen, bringt Delibes seine Figur Mario um: Der Oppositionelle führt in der ersten Fassung des Buchs noch ein Zwiegespräch mit seiner regimetreuen Gattin Carmen. In der letztlich publizierten Fassung aber ist er tot aufgebahrt und kann seine Position nicht vertreten. So treten Widersprüchlichkeiten im inneren Monolog seiner Frau umso stärker ins Interesse bei der Deutung ideologischer Positionierungen im Buch.
Neben der Unterdrückungsthematik fokussiert die Ausstellung weitere Themen aus der Biographie und dem Werk von Delibes:
Se hablará también de Castilla, otro de sus grandes temas –sus paisajes, sus gentes, la reivindicación del mundo rural-, convertido territorio literario, casi legendario, de su obra; de su relación con el cine y con el teatro, y de su compromiso con la defensa de los oprimidos, los explotados, que lo convirtió en una figura admirada y respetada y en un referente de honestidad, coherencia y ética. (Jesús Marchamalo/ BNE)
Zum Tod Delibes‘ am 12. März 2010 veröffentlichte Hans-Jörg Neuschäfer einen Nachruf im Romanistik-Blog (damals noch ciberaBlog).
Pandemiebedingt ist der Besuch der Ausstellung Delibes nur eingeschränkt und unter strengen Auflagen in den Räumen der BNE bis zum 15. November 2020 möglich. Die Beschäftigung mit Miguel Delibes zum Anlass seines 100. Geburstags lohnt sich aber auch von zuhause.
Ausstellung Delibes: Biblioteca Nacional de España