Vor 87 Jahren begann eine der wichtigsten und dunkelsten Episoden der jüngeren spanischen Geschichte. Die Kriegsfotografie ist heute eine der meistgenutzten Quellen für die Erforschung des Spanischen Bürgerkriegs und eine der am häufigsten konsultierten Quellen in der Spanischen Nationalbibliothek. In seinem Gastbeitrag widmet sich Carlos Vega Hidalgo von der Fakultät für Dokumentationswissenschaften der Universidad Complutense de Madrid den Fotografien des deutschen Journalisten und Fotografen Eduard Foertsch (1890-1973).
Foertsch war Stierkämpfer, übersetzte Remarques Im Westen nichts Neues ins Spanische und fotografierte Falangisten, Angehörige der Legion Condor beim Abschied von Spanien, republikanische Milizen und die fliehende Zivilbevölkerung in Málaga. Die Arbeiten und biografischen Daten des Deutschen sind bisher kaum bekannt, obwohl die Sammlung zu den umfangreichsten Bilddokumentationen des Kriegsgeschehens zählt. Carlos Vega Hidalgo hat die Stationen seiner Kriegsberichterstattung anhand von spanischen Zeitungsartikeln und Bildbeschriftungen nachvollzogen.
Carlos Vega Hidalgo (2022): „Novedad en el frente: Eduard Foertsch fotógrafo de la guerra civil española en la BNE“, in El Blog de la BNE:
(dt. Übersetzung Leon Schepers)
Im Jahr 2021 jährt sich zum fünfundachtzigsten Mal der Beginn einer der wichtigsten und dunkelsten Episoden der jüngeren spanischen Geschichte. Unter den Quellen, die in der aktuellen Forschung zu diesem Konflikt am häufigsten verwendet werden, ist die Kriegsfotografie eine der am häufigsten konsultierten Ressourcen in den Sammlungen der Biblioteca Nacional de España (Spanische Nationalbibliothek). Es handelt sich um mehr als 44.000 Bilder, die von beiden Seiten des Konflikts aufgenommen wurden, wobei unter den Fotografen die repräsentativsten Vertreter des Fotojournalismus hervorzuheben sind. Eine dieser Sammlungen ist die des deutschen Journalisten Eduard Foertsch. Sie wurde 1987 und 1992 von der BNE erworben und ist eine der am wenigsten bekannten Sammlungen aus der Zeit des Bürgerkriegs. Biografische Informationen über Foertsch sind sehr spärlich, sodass Recherchen zu seinem beruflichen und persönlichen Werdegang notwendig waren, um die Fotosammlung zu verstehen. Seine biografischen Daten wurden anhand von Informationen aus der damaligen Presse und verschiedenen Studien über andere Journalisten, mit denen der Deutsche während des Konflikts in Spanien in Kontakt stand, zusammengestellt.
Eduard Foertsch, Journalist und Fotograf (1890-1973)
Eduard Foertsch wurde am 25. Juli 1890 in Nürnberg geboren und starb am 11. November 1973 in Madrid. Er kam Anfang der 1910er Jahre nach Spanien, und die ersten Berichte über seinen Aufenthalt in diesem Land finden sich 1912 im Anzeigenteil der Zeitung ABC, wo er sich als spanisch-deutscher Lehrer anbot. Ein Jahr später wird er als einer der deutschen Toreros erwähnt, die an einem Stierkampf in Madrid teilnehmen.1 Den Zeitungsarchiven zufolge war Foertsch ein leidenschaftlicher Stierkämpfer und ist wahrscheinlich aufgrund dieses Interesses nach Spanien gekommen. Er hat seinen Namen an die spanische Schreibweise angepasst und wurde mit dem Beinamen „Alemán“ erwähnt. Im Jahr 1913 veröffentlichte Mundo Gráfico ein Foto von ihm im Stierkämpferkostüm mit der Bildunterschrift, dass er als Stierkämpfer „sehr erfolgreich“ sei.2 Seine Karriere war wohl nicht von langer Dauer, denn Mitte der 1910er Jahre verliert sich die Spur des Stierkämpfers. Foertsch taucht erst in den 1920er Jahren als Journalist für die deutsche Agentur Ullstein und als deutscher Übersetzer wieder auf. Seine wichtigste Übersetzung war der Roman Im Westen nichts Neues | Sin novedad en el frente seines Landsmanns Erich M. Remarque im Jahr 1929. Außerdem übersetzte er zusammen mit Margarita Nelken verschiedene deutsche Theaterstücke wie Una aventura diplomática. Nelken war nicht nur eine berufliche Partnerin, sondern muss auch ein freundschaftliches Verhältnis zu Foertsch und seiner Frau Erna Rosenthal gehabt haben.3
Die fotografische Sammlung Eduard Foertsch
Die Sammlung als Ganzes gibt einen Einblick in Foertschs fotografische Tätigkeit während des Krieges. Sie ist nach geographischen Gesichtspunkten geordnet und besteht aus mehr als 1.600 Positivabzügen auf Papier verschiedener Hersteller, vor allem der Modelle Brovira und Lupex von Agfa.
Die Abzüge sind in vier Vier-Ring-Ordnern in Polyesterfolien mit vier Fächern aufbewahrt. Die Negative auf flexiblem 35-mm-Träger und auf 6×9- und 9×12-Glasplatten belaufen sich auf fast 2.500 Stück, die in Kartons und Umschlägen aufbewahrt werden. Die Plattenkisten und Negativmappen aus den Fotostudios und -geschäften, in denen Foertsch seine Fotografien aufbewahrte, sind erhalten geblieben. Schließlich befinden sich unter dem Material zehn 35-mm-Filmbilder, ein Leica Sortiergerät und eine Schachtel Agfa Blitzlicht 50-Gramm-Blitzpulver. Die Rückseiten der Positivabzüge tragen Stempel aus der Zeit, sowohl militärische als auch zivile oder Stempel der fotografischen Einrichtungen, sowie handschriftliche Texte in Graphitstift oder schwarzer und grüner Tinte. Die Bilder, die Foertsch selbst an der Front und an verschiedenen Stellen auf der Halbinsel mit seiner Frau Erna zeigen, wurden von Erna oder von anderen Kollegen aufgenommen und an die Deutschen geschickt. Eine kleine Anzahl von Fotografien schließlich stammt aus den 1940er, 1950er und 1960er Jahren und zeigt Familienszenen und Sehenswürdigkeiten in Spanien.
Kriegsfotografie (1936-1939)
Im Juli 1936 war Foertsch in Madrid. Der Journalist dokumentiert die ersten Tage des Aufstands in der Hauptstadt, wie seine Fotos kurz nach der Erstürmung des Cuartel de la Montaña zeigen (Sign. 17/282/21). Die aufgenommenen Szenen zeigen die Umgebung der Kaserne und die Bewegung der bewaffneten Miliz. Die Positivabzüge tragen auf der Rückseite ein Etikett mit maschinengeschriebenen Informationen in deutscher Sprache. Zwei Monate später befand sich Foertsch im Rebellengebiet und begleitete Gruppen von Falangisten in der Nähe von Jerez de los Caballeros (Sign. 17/283/1). Wie konnte er sich in nur wenigen Wochen von einem Gebiet zum anderen bewegen? Die Antwort liegt in seinen Fotografien. Im August 1936 befindet sich Foertsch an Bord des Dampfers SS Arion, der im Hafen von Alicante liegt (Sign. 17/283/5). Neben dem Journalisten befinden sich mehrere deutsche Landsleute, darunter der deutsche Konsul Hans Joachim Kindler von Knobloch. Aus der Liste der Schiffe, die sich zu dieser Zeit im Hafen von Alicante befanden, geht hervor, dass die Arion am 24. August 1936 auf der Route Alicante-Lissabon-Antwerpen-Bremen auslief.4 Der deutsche Konsul erleichterte die Ausreise von Personen, die mit den Putschisten sympathisierten, darunter Eduard Foertsch, der in Lissabon ankam und von dort aus die Grenze überqueren konnte, um sich den aufständischen Kräften in Extremadura anzuschließen.
Ab September 1936 berichtete Foertsch als Korrespondent von Ullstein über den Vormarsch der Afrikanischen Armee nach Zentralspanien und fotografierte die Einnahme von Toledo und dem Rest der Provinz sowie der Städte südlich und westlich von Madrid wie Navalcarnero. Aus seinen Fotos wissen wir, dass er eine enge Beziehung zu prominenten Journalisten wie Hans Rosel, René Bayer und Arthur Portela sowie zu Offizieren und Unteroffizieren hatte. Er war bei der Eroberung von Málaga anwesend und berichtete über den Nordfeldzug, wobei er die wichtigsten Städte nach der blutigen Schlacht von Brunete im Juli 1937 fotografierte. Im folgenden Jahr zog er durch Teruel und begleitete Francos Truppen bis zum Mittelmeer bei Vinaroz. Seine letzten Kriegsfotos dokumentieren den Vormarsch durch Katalonien und die Tage nach dem Einmarsch in Madrid im März und April 1939. Einige Wochen später fotografierte er seine Landsleute der Legion Condor beim Abschied von Spanien auf dem Flughafen Barajas.
Die Motive seiner Fotografien sind sehr vielfältig. Sie sind ein deutliches Zeugnis für die Grausamkeit des Krieges und die ständige Anwesenheit von Zerstörung und Tod, auch wenn die meisten von ihnen die exklusive Nähe des Autors zu den Soldaten zeigen. Sein Werk ermöglicht es uns, andere Aspekte des Konflikts zu untersuchen und gibt Aufschluss über die Stellungen an der Front, die verwendeten Waffen, die Uniformen und den Zustand der Zivilbevölkerung im Hinterland. In jeder Stadt und jedem Dorf, das er durchquerte, dokumentierte Foertsch die durch die Kämpfe und Bombardierungen verursachten Schäden. Mit seiner Kamera begleitete er die Truppen in die Schützengräben der Front und fotografierte die Zivilbevölkerung und ihre Umgebung aus nächster Nähe. Von allen seinen Fotografien erregen seine Porträts die meiste Aufmerksamkeit, wobei die der Überlebenden des Alcazar von Toledo hervorstechen.
Am 29. September 1936 erreichte Foertsch mit den Truppen des Generals Varela und in Begleitung anderer Journalisten die Ruinen des Alcázar. Im Innenhof konnte er verschiedene Verteidiger der Festung interviewen, die ihm von der Härte der siebzigtägigen Belagerung berichteten. Die Berichte der Korrespondenten waren sehr detailliert und beleuchteten die Zerstörung des alten Palastes Karls V. und die Situation der Frauen und Kinder in den Kellern, die ihre Angehörigen von Anfang an begleitet hatten. Die Propagandamaschinerie der Aufständischen begann, die Heldentaten der Verteidiger und den Mythos der Belagerung des Alcázar zu verbreiten. Fotografien dienten zweifellos der Information, und die hungrigen Gesichter der Überlebenden füllten die Seiten der Zeitungen und Illustrierten. Foertsch gelang es, einige dieser Verteidiger und ihre Familien, meist Angehörige der Guardia Civil, in eindringlichen Fotografien zu porträtieren, die die Erschöpfung und das Leid in jeder Geste der Protagonisten festhielten.
Im weiteren Verlauf des Krieges fertigte Foertsch zahlreiche Einzel- und Gruppenporträts von Francos Truppen an, darunter Requetés und Legionäre, aber auch Mitglieder der Falange und Zivilisten, die in der unmittelbaren Nachhut litten. Diese Art von Fotografien ist sehr untypisch für Sammlungen zum Spanischen Bürgerkrieg, und wir glauben, dass Foertsch aufgrund seines einzigartigen Ansatzes und der Qualität und Quantität des erhaltenen Materials als herausragender Fotograf gilt. Insgesamt ist die Sammlung eine der vollständigsten und attraktivsten des gesamten Krieges.
Digitalisierte Bestände von Eduard Foertsch in der Biblioteca digital Hispánica.
Carlos Vega Hidalgo
Doctorando en Ciencias de la Documentación (UCM)
BIBLIOGRAFÍA
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Sánchez Vigil, J. M. y Olivera Zaldua, M. (2014), Fotoperiodismo y República, Madrid, Ediciones Cátedra.
Hintergrund: Dieser Artikel erschien erstmalig am 03.05.2022 in spanischer Sprache im Blog der Spanischen Nationalbibliothek und wurde mit freundlicher Genehmigung des Autors Carlos Vega Hidalgo (UCM) für das Romanistik-Blog übersetzt. Aufgrund der geringen Kenntnislage zur Person Eduard Foertsch werden sachdienliche Hinweise zum Thema an kontakt@fid-romanistik.de erbeten, die wir gerne an Herrn Vega Hidalgo weiterleiten.
Zum Autor: Carlos Vega Hidalgo hat einen Abschluss in Humanidades y Patrimonio der Universidad Castilla-La Mancha und einen Master in Patrimonio Audiovisual: Historia, recuperación y gestión von der Universidad Complutense de Madrid. Er ist außerdem leitender Techniker im Labor für analoge Bilder und Fotograf. Derzeit promoviert er im Programm Ciencias de la Documentación an der UCM. Im Rahmen seiner Dissertation erschließt und analysiert er die fotografischen Dokumentationen, die während der Belagerung des Alcázar von Toledo (1936) entstanden. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind die grafische Dokumentation, der Fotojournalismus, die Presse und die Fotografie im Allgemeinen während der Zeit der Zweiten Spanischen Republik, des Bürgerkriegs (1936-1939) und des frühen Franco-Regimes. Er leitet die Projekte Toledo GCE und Memoria Fotográfica zur Verbreitung historischer Fotografien. Zuvor leitete er das Projekt Arqueoinstante: La Guerra Civil en Toledo.