Die frei im Netz verfügbare Literaturzeitschrift kalmenzone hatten wir schon einmal anlässlich der Ausgabe mit dem Themenschwerpunkt «Don Quijote» hier im ciberaBlog vorgestellt. Heute nutzen wir die Gelegenheit erneut auf diese Zeitschrift hinzuweisen, die in ihren beiden letzten Ausgaben interessante Einblicke gibt:
Zum einen enthält Heft 11 einen lesenswerten Essay über die nicaraguanische Lyrikerin, Theologin und Politikerin Michele Najlis von Evelyn Bernadette Mayr: «Medaillen gegen den Stern» (kalmenzone Heft 11, S. 11):
Michele Najlis, geboren 1946 als Tochter französischer Einwanderer in Granada, Nicaragua, wurde am 22.1.1967 Zeugin des Massakers auf der Avenida Roosevelt in Managua, bei dem über 200 NicaraguanerInnen durch die Schergen Somozas bei einem Protestzug zu Tode kamen, es kam zu hunderten Verletzten und zahlreichen Gefangennahmen. Sie war Professorin an den Universitäten UNAN, Managua, und San José, Costa Rica, hatte die allgemeine Leitung der Ausländerbehörde in den Tagen des Zusammenbruchs der Diktatur inne und war 1979–1981 Funktionärin der sandinistischen Regierung. Kolumne in der Tageszeitung El Nuevo Diario, 1981–1989 Leitung kultureller Programme in Rundfunk und Fernsehen. Beirätin im Ministerium für Bildung und Wissenschaft, Direktorin für Kultur an der Zentralamerikanischen Universität Managua. Michele Najlis ist eine der bekanntesten Lyrikerinnen des Landes, auf Deutsch sind die Gedichtbände Die Gesänge der Iphigenie (1997), Tönende Einsamkeit. La soledad sonora (2006) und Tochter des Windes (2015) erschienen.
Evelyn Bernadette Mayr liefert in dem darauffolgenden Heft 12 Übersetzungen aus dem lyrischen Werk der nicaraguanischen Autorin. Michele Najlis ist in ihrer Heimat eine der namhaftesten Dichterinnen, hierzulande jedoch nur wenigen bekannt. Hier gibt es also eine Entdeckung zu machen.
Die zweite Entdeckung – wenn man es denn so nennen mag – liefert Heft 12 mit einer Übersetzung von kalmenzone-Herausgeber Cornelius van Alsum aus den «Leituras populares» des portugiesischen Dichters und Sozialreformers Antero de Quental (1842-1891). Ein Auszug:
Es ist eine Tatsache, daß wir unter allen Kulturvölkern, obwohl unsere Bibliotheken unter dem Gewicht guter inländischer Werke ächzen, doch zu denen gehören, die am wenigsten Bücher von handlicher Art und leichter Verständlichkeit besitzen. Unsere Buchhandlungen sind überreich an gewichtigen Bänden, von noch gewichtigerer Gelehrsamkeit und erhabenem Stil. Aber Bände für die Reichweite des Arbeiters, des Landwirtes, des eigentlichen Landmannes, die durch ihr Format, ihren Preis und ihre Deutlichkeit sich ihnen fügen, die ihnen durch ihre Anmut und ihren Bildungsgehalt die bäuerliche Mühsal lindern – kaum begegnet man dem einen oder anderen davon.
Hierin unterscheiden wir uns von Frankreich, von Italien, von Deutschland, die sie in Schwärmen haben, während unsere Schriftsteller anscheinend mehr miteinander als mit dem Volk sprechen.
Hier geht es zur Zeitschrift kalmenzone. Die einzelnen Ausgaben werden zum Download im Archiv angeboten.
Foto Michelle Najlis: Facebook
Foto Antero de Quental: Wikipedia