Tzvetan Todorov hat in der Vorwoche den Príncipe de Asturias-Preis 2008 für Sozialwissenschaften in Oviedo in Empfang genommen. Der in Bulgarien geborene und in Paris lebende Philosoph, Soziologe und Linguist, um nur einige seiner Forschungsschwerpunkte zu nennen, hat in seiner Dankesrede1 einige Punkte angesprochen, die immer schon Teil seiner Forschung waren und die angesichts der europäischen und weltweiten Migrationsprozesse aktueller denn je sind:
Por cómo percibimos y acogemos a los otros, a los diferentes, se puede medir nuestro grado de barbarie o de civilización. Los bárbaros son los que consideran que los otros, porque no se parecen a ellos, pertenecen a una humanidad inferior y merecen ser tratados con desprecio o condescendencia. Ser civilizado no significa haber cursado estudios superiores o haber leído muchos libros, o poseer una gran sabiduría: todos sabemos que ciertos individuos de esas características fueron capaces de cometer actos de absoluta perfecta barbarie. Ser civilizado significa ser capaz de reconocer plenamente la humanidad de los otros, aunque tengan rostros y hábitos distintos a los nuestros; saber ponerse en su lugar y mirarnos a nosotros mismos como desde fuera. Nadie es definitivamente bárbaro o civilizado y cada cual es responsable de sus actos.
Zentraler Gedanke seines Diskurses ist die Frage, wie wir Fremde wahr- und aufnehmen. Das stellt auch Juan José García-Noblejas heraus, in dessen Blog scriptor.org ich auf die Dankesrede Todorovs gestoßen bin. García-Noblejas hatte bereits im Juni, bei Bekanntgabe der Vergabe ausgeführt, warum es sich bei Todorov um einen verdienten Preisträger handelt.
Das Interview, das die Journalistin Ioulia Poukhli für den Sender Euronews anlässlich der Preisverleihung mit Todorov führte, ist sehenswert – auch wenn in ihm naturgemäß die Standpunkte und Thesen des Philosophen nur kurz angerissen werden können. Der frisch gebackene Príncipe de Asturias-Preisträger wird im Interview auf die Aussage aus seinem jüngsten Werk »Die verhinderte Weltmacht. Reflexionen eines Europäers.« angesprochen, in der Angst vor den Barbaren liege unser Risiko, selbst zu Barbaren zu werden. Auf die Frage, inwieweit hier von einem »Schock der Zivilisationen« gesprochen werden kann, antwortet er:
Tzvetan Todorov: Der Begriff »Schock der Zivilisationen« ist zunächst aus wissenschaftlicher Sicht zu kritisieren, weil die Zivilisationen nicht mit den Blöcken übereinstimmen, nicht mit den undurchlässigen Einheiten, von denen der Schöpfer des Begriffs spricht. Der Schock entsteht nicht zwischen Zivilisationen sondern zwischen Staaten und Staatengruppen.
Das auf französisch geführte Interview (Dauer: knapp 8 Minuten) liegt auf der Website des multilingualen TV-Senders Euronews in mehreren Übersetzungen vor, sowohl als Video, als auch als Transkription. Bedauerlicherweise funktioniert ausgerechnet die Verlinkung auf das französische Original-Interview nicht. Doch die Übersetzungen und Transkriptionen liegen unter anderem auf deutsch, spanisch, portugiesisch und englisch vor.
Weitere Dankesreden des Principe de Asturias Preises finden Sie auf El País: »Discursos de algunos de los galardonados con los Premios Príncipe de Asturias 2008«.
Verwandte Beiträge im Romanistik-Blog:
- Download der Dankesrede als Word-Dokument bei El País, 1 Seite auf spanisch [↩]
Vielen Dank für diese interessanten Einblicke in das aktuelle Weltgeschehen. Da es sowieso keine Objektivität gibt in der Berichterstattung (und davon auch noch zunehmend weniger…), würde ich mir manchmal wünschen, dass solche Hintergrundgeschichten noch mehr Verbreitung finden, damit wir einen Anlass haben, um über den Tellerrand von Agenturmeldungen und Pressetickern hinausschauen zu können.
Was nun Todorov angeht, so hatte ich mit ihm in Bezug auf die Interpretation fantastischer Novellen von Maupassant zu tun, da er (wie ich dank @westernworld_ auf Twitter inzwischen weiß) 1970 eine einschlägige Einführung zu diesem Textgenre geschrieben hat. Nun zu entdecken, dass sein Horizont weit darüber hinaus geht, ist ebenso spannend wie beruhigend zu sehen. Vom Wort zum Sinn zur Weltanschauung? Höchst interessant jedenfalls. Und erinnert in gewisser Weise an Noam Chomsky, oder?
Danke für das Feedback zum Artikel.
Parallelen zwischen Chomsky und Todorov gibt es viele. Beide sind ja über die Linguistik und die Philosophie hinaus in zahlreichen weiteren Wissenschaftsfeldern aktiv und scheuen auch nicht davor zurück, sich in aktuelle politische Diskussionen einzumischen, wie Chomsky gerade wieder neulich mit seiner Stellungnahme zu Barack Obama unter Beweis stellte.
Das ist jetzt alles lange her, verweht und vergessen, aber falls dieses doch noch mal jemand liest: Le choc des civilisations bzw. Clash of Civilizations ist nicht Schock der Zivilisationen sondern Zusammenprall der Kulturen. Dementsprechend wuerde ich der Uebersetzung dann auch im uebrigen nicht trauen, falls noch Zweifelsfragen offen sein sollten.
Danke Ingo Habeck für die wichtige Korrektur der Übersetzung. Das wird sehr wohl hier noch gelesen. Wir weisen erstens immer auf die zuletzt eingegangenen Kommentare in der rechten Seitenleiste des Blogs hin und außerdem gelangen viele Besucher auch über Suchmaschinen noch zu älteren Artikeln.