Wer Überblickswerke zum spanischen Weltreich suchte, blieb lange Zeit auf die englischsprachige Historiographie verwiesen. Erst in den letzten Jahren lässt sich anhand vieler deutschsprachiger Neuerscheinungen ein frischer Trend zu zusammenfassenden Darstellungen erkennen, die die Erträge der spezialisierten Forschung synthetisieren und einem breiteren Publikum zugänglich machen.
Die gut lesbare Vermittlung historischer Forschungsergebnisse gewinnt seit einigen Jahren – nicht zuletzt aufgrund des andauernden Rechtfertigungsdrucks auf die Geisteswissenschaften – rasant an Bedeutung. Was es heißt, Fachwissen anschaulich zu gestalten, konnte ich als wissenschaftlicher Berater bei GEO Epoche zum Thema „Weltmacht Spanien“ erleben. Beratung meint hier Mitarbeit bei der Heftkonzeption, Literaturauswahl für die Autoren und kritische Durchsicht der fertigen Artikel (Was macht eigentlich ein Fachberater?).
Zwischen Wissenschaft und Journalismus
Plötzlich aus meinem wissenschaftlichen Schreibkontext in den Journalismus versetzt, sah ich das Verfassen von Geschichte mit ganz anderen Augen. Schreiben nicht als Dokumentation des eigenen Erkenntnisgewinns, sondern als Kommunikation mit Lesern. Während ich mir selber gelegentlich vorgaukle, mich an „historisch interessierte Laien“ zu richten, musste ich nun lernen, was es bedeutet, wirklich für historisch interessierte Laien zu schreiben. Bei aller Zuspitzung in journalistischen Texten bedeutet es nämlich in erster Linie erklären und nochmals erklären. Ohne Fußnoten. Personen, Orte, Ereignisse müssen charakterisiert und anschaulich werden. Wer ist das? Wo liegt es? Wie kam es dazu? Das Ganze spannend und unmissverständlich formuliert. Man kann hier ohne weiteres einwenden, dass wissenschaftliches Schreiben keinen Spannungsbogen braucht, Komplexität aufzeigen und nicht kaschieren soll und ohnehin auf einem ganz anderen Abstraktionsniveau angesiedelt ist – doch jeder, der einmal versucht, Philipp II. für den erwähnten Laien in einem Satz zu charakterisieren, wird verstehen, wo die besondere Schwierigkeit liegt.
GEO-Texte müssen allerdings nicht nur verständlich, sondern auch korrekt sein. Mich hat am meisten überrascht, mit welcher Sorgfalt die Artikel auf Richtigkeit bis in die kleinsten Details nachgeprüft werden. Was auf den ersten Blick leicht erzählt im Stil einer Reportage daherkommt, ist das Ergebnis intensiver Vorarbeiten und detaillierter Textkritik. Ein Verifikationsteam beleuchtet in den fertigen Texten noch einmal jedes Faktum, d.h. alle Angaben werden anhand der einschlägigen Literatur kontrolliert. Das soll sicher stellen, dass aus Zuspitzungen keine Überspitzungen werden.
Ein Überblick von der Reconquista bis Simón Bolívar
Das Ergebnis dieser Arbeit kann nun begutachtet werden: GEO Epoche Nr. 31 „Als Spanien die Welt beherrschte“. Darin wird das Werden und Vergehen des spanischen Weltreichs geschildert – des ersten, das um den gesamten Erdball reichte. Die Autoren schildern die langsame Herausbildung der iberischen Reiche in der Reconquista, die Geburt des modernen Spanien unter den Katholischen Königen, beschreiben ausführlich Philipp II., das Ausgreifen über den Atlantik in die Neue Welt und den Glaubenskampf der Inquisition. Dem „Siglo de Oro“ sind Artikel über den Lebensweg von Diego Velázquez und Miguel de Cervantes gewidmet. Die Überforderung des Weltreichs zeigt sich in den Aufständen in Katalonien, den Niederlanden und schließlich in Hispanoamerika.
Teilen der Auflage ist eine DVD mit vier Dokumentationen beigefügt. Darin folgt der Historiker und BBC-Filmemacher Michael Wood den Spuren der spanischen Konquistadoren in Amerika.
Einige der Inhalte aus dem Heft sowie ergänzende Materialien sind auch kostenlos online verfügbar unter: www.geo-epoche.de/spanien.
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Niels Wiecker
Der Autor promoviert über spanischen und portugiesischen Kolonialhandel.
Ein Gedanke zu „Spanische Geschichte für die breite Öffentlichkeit“