So recherchieren deutsche Wissenschaftler

Rund 90% der deutschen Wissenschaftler haben noch kein Suchportal gefunden, das ihren Anforderungen gerecht würde. Das ergab eine noch unveröffentlichte Untersuchung zur Nutzung virtueller Fachbibliotheken, die die ZBW Kiel für die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Auftrag gegeben hat.
Die erste Adresse für suchende Wissenschaftler ist – wenig überraschend – Google: 82% der Befragten benutzen Google mehr als zehnmal pro Monat. Vergleichsweise häufig besuchte Anlaufstellen sind weiterhin die Online-Kataloge der Bibliotheken, die von 53% der Befragten entsprechend oft angesteuert werden und Wikipedia mit 44%.

Im Ranking folgen universitäre Homepages, Online-Dienste der Bibliotheken, der KVK, die EZB, Amazon und die ZDB. Die virtuellen Fachbibliotheken bilden in der Umfrage mit einer Nutzung von unter 10% der befragten Akademiker das Schlusslicht und liegen damit fast gleich auf mit Google Scholar, das ein Viertel der Befragten nicht mal kannte.

Mein Fazit: In erster Linie muss die Bekanntheit von Fachportalen durch gezielte Werbung verbessert werden. Da der Schwellenwert für die Berücksichtigung in der Studie bei einer Anzahl von nur 10 Besuchen pro Monat liegt, ist insgesamt von einer geringen Nutzung von Online-Angeboten auszugehen. Daher sollte mit Schulungsangeboten zur Online-Recherche für Akademiker die allgemeine Akzeptanz entsprechender Möglichkeiten erhöht werden.

Darüber hinaus müssen die Fachportale ihre Kernkompetenzen stärken und nach außen kommunizieren: Virtuelle Fachbibliotheken können und wollen keine Konkurrenz zu Google sein, sondern Dienste von der Wissenschaft für die Wissenschaft.

Damit meine ich beispielsweise:
– Einstiegspunkte in das Deep Web, das von Google nicht durchsucht wird (Stichwort Fachdatenbanken)
– Bereitstellung von Quellen nach speziell wissenschaftlichen Kriterien (Stichworte Fachinformationsführer mit inhaltlicher und formaler Qualitätskontrolle, intellektuelle Verschlagwortung, evtl. Möglichkeit zur Kommentierung durch Nutzer)
– Zusammenstellung von inhaltlichen Schwerpunkten, wissenschaftlich aufbereitet (Stichwort Themenportale)
– Möglichkeiten zur Diskussion und Interaktion mit Wissenschaftlern

Quelle: c’t 2008 Heft 11, S.49, Richard Sietmann /anm: Forscher mögen Google

8 Gedanken zu „So recherchieren deutsche Wissenschaftler“

  1. Nach c’t-Artikel lautete die Ausgangsfrage der Studie: „Mit welchen Internetseiten suchen Sie nach wissenschaftlicher Literatur?“

    Auch wenn es der Studie und deren Auftraggebern im Kern um ViFas gehen mag: Zählen nicht auch Online-Datenbanken des deep web zum Internet.

    Entsprechende Antwortkategorien vermisse man im c’t-Artikel.

    Auf die Studie darf man gespannt sein.

    drainball

  2. Die c’t bezieht sich ja auch nur auf die Vorveröffentlichung der Ergebnisse der Studie, deren komplette Veröffentlichung wir auch mit Spannung erwarten (auch wenn man Umfragen immer mit Vorsicht genießen sollte).

    Unabhängig davon, gilt es für uns als Virtuelle Fachbibliothek dafür zu sorgen, in der Fachcommunity noch bekannter zu werden. Wir arbeiten daran, in Einführungen (für Studierende), Vorträgen (auf Tagungen und Fachmessen), im direkten Kontakt mit der Wissenschaft und nicht zuletzt mit diesem Blog und weiteren auf Web 2.0 basierenden Modulen, die wir gemeinsam mit der Fachwissenschaft umsetzen werden.

  3. Zum Kommentar von Markus Trapp v. 23.5.08:

    Mit Blick auf den c’t-Artikel ist und bleibt es erstaunlich, dass von Fachdatenbanken dort nicht die Rede ist.

    Was in der Studie dazu steht: warten wir’s ab.

    Wer nach Informationskompetenz von Fachwissenschaftlern fragt, scheint mit der gestellten Frage nach „Internetseiten“ aber schlecht beraten zu sein. Beim Begriff „Internet“ haben viele eben nur das Visible Web (und damit Google und Wikipedia) vor Augen. An nicht frei im Internet zugängliche Fachdatenbanken werden dabei die wenigsten Wissenschaftler denken.

    Offener wäre schon die Frage: „Mit welchen Informationsmitteln (Suchmaschinen, Fachportale, Fachdatenbanken, Onlinediensten von Bibliotheken, Bibliothekskatalogen, freien Webangeboten, …) suchen sie nach wissenschaftlicher Literatur?“

    Aber nochmals: – warten wir die Veröffentlichung der Studie ab.

    Dass es übrigens das berechtigtes Eigeninteresse der ViFas ist, diese stärke ins Bewußtsein der Fachöffentlichkeit zu rücken, versteht sich von selbst.

    Fakt bleibt aber, dass in puncto content und usability gegenwärtig (nicht nur) das Metaportal vascoda mehr als dünn empfunden wird. – Auch und gerade im Vergleich zu Fachdatenbanken, die für Fachwissenschaftler (nicht nur aus dem STM-Sektor) momentan bei der Informationsrecherche noch deutlich die Nase vorn haben (sollten).

    Aber sehen wir’s doch positiv: Nach Google sind die Bibliotheken (OPACs) für Wissenschaftler die zweithäufigste Anlaufstation bei ihrer Suche nach Literatur.

    Das ist ja schon fast der halben Weg zu den ViFas 😉

    drainball

  4. Aber sehen wir’s doch positiv: Nach Google sind die Bibliotheken (OPACs) für Wissenschaftler die zweithäufigste Anlaufstation bei ihrer Suche nach Literatur.

    Allerdings bedeutet dieser zweite Platz nicht mehr, als dass 53% der Befragten die OPACs mindestens 10 Mal monatlich befragen. Wie bitte? 10 Mal im Monat? Okay, da steht mindestens, aber bei vielen wirds auch nicht viel öfter sein, fürchte ich.
    Aber natürlich schließe ich mich an und erwarte die Details der Studie mit Spannung.
    Und zu den Defiziten in puncto Ö-Arbeit und Nutzerfreundlichkeit der ViFas ist solch eine Untersuchung immer ein guter Anlass, mal wieder gezielt die Strategien zu überarbeiten.

  5. Allerdings bedeutet dieser zweite Platz nicht mehr, als dass 53% der Befragten die OPACs mindestens 10 Mal monatlich befragen. Wie bitte? 10 Mal im Monat? Okay, da steht mindestens, aber bei vielen wirds auch nicht viel öfter sein, fürchte ich.

    Aber was erwarten Sie von einem Fachwissenschaftler?

    Dass er in OPACs täglich systematisch per Schlagwortrecherche nach Büchern zu seinem Forschungsgebiet sucht? – Das, was er an Büchern braucht, kennt er in der Regel schon aus anderen Quellen und über andere Kanäle, und zwar längst bevor es in den Regalen der Bibliotheken steht.

    Aufsätze (gar: sacherschlossene) in (lokalen) Bibliothekskatalogen? – In der Regel: Fehlanzeige.

    Fakteninformationen in Bibliothekskatalogen? -Fehlanzeige.

    Das aber ist es, was den Fachwissenschaftler interessiert. – Wieso sollte er also häufiger als 10x monatlich im OPAC recherchieren?

    Ferner: Die vorhandenen Sacherschließungskomponenten in OPACs sagen ihm nichts, – und brauchen ihm auch nichts zu sagen. In puncto Erschließungstiefe und Abdeckungsgrad sind sie schlicht unzureichend.

    Und so wird der OPAC eben meist als das genutzt, wozu er auch am besten taugt: zur Beantwortung der Frage: Wo ist das Buch, das ich benötige, vorhanden? (Autor-/Titel-Suche)

    Und da es auch hier lokal in der Regel nicht so rosig aussieht (ja, ich weiß: Fernleihe, subito etc.), recherchiert und bestellt er eben auf eigene Rechnung (privat oder über institutionelle Sach- und Drittmittel) gleich bei amazon und zvab.

  6. Aber was erwarten Sie von einem Fachwissenschaftler?

    Das war nicht gemeint.
    Hier kann es nicht um Erwartungen an die Wissenschaftler gehen. Die (fach)wissenschaftlichen Online-Angebote sollen den Wissenschaftlern dienen. Wenn sie nicht genutzt werden, müssen sich die Betreiber fragen, woran das liegt.

    Mir ging es in meinem Kommentar darum, aufzuzeigen, dass auch die oberen Plätze im Ranking nicht unbedingt auf eine rege Nutzung hindeuten (im Einzelnen bleibt hier selbstverständlich die Veröffentlichung der Studie abzuwarten).

    Dabei wollte ich mich nicht auf die OPACs beschränken, sondern darauf hinweisen, dass man das Ranking nicht unabhängig von den zugrunde liegenden Zahlen betrachten sollte. Und diese Nutzungszahlen erscheinen doch internetaffinen Nutzern vergleichsweise niedrig.

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