Walter Benjamin auf Ibiza (1932-1933)

Passend zur Urlaubszeit werfen wir im ciberaBlog heute einen Blick auf Ibiza:

Ibiza
Foto: Wikipedia

Keine Sorge, nicht aus touristischer, sondern vielmehr aus literarischer Sicht. Es geht um Walter Benjamin, der bekanntlich viele Monate der Jahre 1932 und 1933 dort verbracht hatte. Wie viele andere war er von der kargen Idylle der Weißen Insel sehr angetan, davon hat sich wenig gehalten auf Ibiza. Oder wie es Kersten Knipp in ihrem FAZ-Artikel zu Benjamins: «Ibizenkische Folge» mit drastischen Worten zutreffend beschreibt: «Das Erbe wurde gründlich verhunzt».

Die Ibizenkische Folge, nachzulesen auf textlog.de schrieb Benjamin im April/Mai 1932 auf der Balearen-Insel. Großartig etwa, wie Benjamin die Anordnung der Stühle in den mehrfach im Jahr geweißten Häusern in Raum für das Kostbare beschreibt:

Durch offene Türen, vor denen Perlvorhänge gerafft sind, dringt in den kleinen Dörfern im Süden Spaniens der Blick in Interieurs, aus deren Schatten das Weiß der Wände blendend hervorschlägt. Diese Wände werden vielmals im Jahr geweißt. Und vor der rückwärtigen stehen für gewöhnlich, streng ausgerichtet und symmetrisch, drei, vier Stühle. Um ihre Mittelachse aber spielt die Zunge einer unsichtbaren Waage, in der Willkomm und Abwehr in gleich schweren Schalen liegen. Wie sie so dastehen, anspruchslos in der Form, aber mit auffallend schönem Geflecht, läßt sich manches von ihnen ablesen.

Am besten kann man sich über Benjamins Zeit auf Ibiza informieren in Vicente Valeros «Der Erzähler. Walter Benjamin auf Ibiza, 1932 und 1933» (Parthas Verlag, ins Deutsche übersetzt von Lisa Ackermann und Uwe Dehler).

Ich zitiere aus der Rezension von Helga Grebing in Kultur und Kritik (12/2008 PDF): «Walter Benjamin auf Ibiza»:

Dass Ibiza als eine Art vormodernes, beinahe noch vorzivilisatorisches Utopia von bedeutender Anziehungskraft für Intellektuelle gewesen ist, kann man sogar heute noch hinter den Fassaden der postmodernen Erlebnis»kultur« ahnen. Was diese Aufenthalte und ihre präzise Nach-Wahrnehmung für Biografie und Werk von Walter Benjamin bedeutete, wissen wir nun aber erst durch das inhaltsreiche Buch des 1963 auf Ibiza geborenen katalanischen Lyrikers Vicente Valero, das in der spanischen Originalausgabe 2001 erschien und nun in deutscher Übersetzung vorliegt.

Und eben dieser Vicente Valero kommt auch in einem ausführlichen Beitrag von RTV Española zu Wort, der die Bedeutung von Benjamins Zeit auf Ibiza für dessen Werk beleuchtet. Sie können sich den gut gemachten Film aus dem Jahr 2005 hier anschauen:

Baleares, un viaje en el tiempo - Walter Benjamin en Ibiza (1932-1933)

Baleares, un viaje en el tiempo – Walter Benjamin en Ibiza (1932-1933)

Creative Commons: frei, aber nicht gratis

Wer seine Texte im freien Zugang anbietet, muss auf Einkünfte nicht verzichten. Ein Autor, der sein Buch zum Beispiel mit einer Creative Commons-Lizenz im Netz zur Verfügung stellt, bietet es damit frei, aber nicht automatisch gratis an. Público.es erklärt das für den Laien zunächst vielleicht erstaunliche Fazit anschaulich im Artikel Creative Commons: acceso libre, no gratuito:

Cada vez más escritores se apoyan en estas licencias para ampliar la difusión de su obra y generar beneficios indirectos

El pasado mes de febrero, el escritor Juan Gómez Jurado (Madrid, 1977) decidió responder a Alejandro Sanz: „Si tienes huevos cuelga tu novela gratis en internet“. Espía de Dios es su primera novela y uno puede tenerla simplemente por „la voluntad“. El éxito para el escritor fue rotundo. La novela, que ya había sido publicada en papel por Roca Editorial en 2006, recaudó en pocos días 40.000 euros. Según el autor, en junio la cuenta ascendía a los 65.000 euros. ¿Un caso de piratería? Los beneficios demuestran todo lo contrario.

Bitte weiter lesen auf público.es.

OtroLunes: Zeitschrift zur hispanoamerikanischen Kultur

OtroLunes

Man kann diese Zeitschrift über hispanoamerikanische Kultur trotz ihres Titels getrost auch an einem Mittwoch vorstellen: OtroLunes. Die aktuelle 19. Ausgabe der in Madrid erscheinenden Online-Zeitschrift ist u.a. dem kubanischen Autor Félix Luís Viera gewidmet:

Félix Luis Viera descubre, a través de sus cuentos, sus novelas y sus poemas universos humanos imprescindibles para comprender la esencia de esa “cubanidad” de la que hablan muchos críticos,y ello convierte su obra en un referente necesario para entender el desarrollo de las letras cubanas en la segunda mitad del siglo XX y en la actualidad.

Zitat aus dem Dossier Félix Luis Viera auf OtroLunes.

[via Culturamas]

Jorge Semprún (1923 -2011): Leben oder Schreiben

Kurzporträt zum Tode von Jorge Semprún auf Euronews.

Gestern ist Jorge Semprún im Alter von 87 Jahren in Paris gestorben. Vargas Llosa hat heute Morgen auf El Páis einige Gedanken zum Tode seines Freundes veröffentlicht:

Yo creo que Jorge Semprún vivió no como testigo sino como protagonista los grandes tumultos históricos del siglo XX… Acometió la lucha contra el fascismo, fue un militante de la Resistencia y vivió la experiencia atroz de los campos de concentración de los que salvó de milagro. […] Siguió siendo un militante luchando por una democracia de izquierdas con la que se comprometió. Fue también un gran escritor comprometido cuyos libros son un testimonio vivo con el que ingresó en las polémicas contemporáneas.

Mario Vargas Llosa: Un gran hombre en el tumulto.

Informationen zu Jorge Semprún finden Sie auch über die Metasuche in cibera cibera.

Update 17:30 Uhr: hr 2 Kultur wiederholt aus Anlass des Todes von Semprún heute Abend um 23:05 Uhr die Radio-Sendung vom Dezember 2008:
Am Tisch mit Jorge Semprún, „Freiheitskämpfer“.

Ernesto Sábato im Alter von 99 Jahren gestorben

Heute Morgen ist im Alter von 99 Jahren der argentinische Autor Ernesto Sábato in seinem Haus in Santos Lugares gestorben (Meldung Clarín).

Die Stimme des Autors so bedeutender Werke wie «El Túnel» und «Sobre Héroes y Tumbas» ist mit dem Romananfang von letztgenanntem Werk in nebenstehendem Video zu hören. ¡Adiós, Ernesto!

Twitter: Von der Wiederentdeckung der Aphorismen

El País: La filosofía del Im Artikel »La filosofía del „pienso, luego ‚tuiteo“« widmet sich El País der Wiederentdeckung der Aphorismen und der zunehmenden literarischen Bedeutung von Twitter:

„He construido castillos en el aire tan hermosos que me conformo con sus ruinas“, escribió Jules Renard en 1890. Una frase de apenas 80 caracteres que cabría de maravilla en un mensaje de la red social Twitter. El límite de 140 matrices que fija este popular servicio de mensajería pública e instantánea en Internet, en el que cada día se vuelcan 65 millones de textos (tuits, en la jerga), ha insuflado nueva vida a un género filosófico y literario de larga tradición, el aforismo, y también a otras formas de pensamiento breve.

Antonio Rivero Taravillo: Zur Übersetzung von Poesie

Fuego con Nieve - Blog von Antonio Rivero Taravillo Es ist allgemein bekannt, dass Übersetzungen von Poesie mit zu den schwierigsten Prozessen der Sprachübertragung gehören. Der spanische Autor, Dichter und Übersetzer Antonio Rivero Taravillo1 hat in seinem Blog Fuego con Nieve einen dreiteiligen Artikel zur Übersetzung von Poesie veröffentlicht, der zuvor in der Zeitschrift Cuadernos andaluces de traducción literaria erschienen war.

«Con todo, el trabajo del ritmo, que siempre enfatizo, también tiene contraindicaciones. Un riesgo de la traducción de poesía es el de caer en el sonsonete, el de poner el piloto automático del ritmo y, tras muchas millas o versos, despertar legañoso en el aterrizaje. No se puede traducir siempre con los mismos metros, por más que seamos duchos en ellos. A veces es preferible verter algún poema en verso más desestructurado y libre si evitamos con ello la sensación de monotonía, la idea de que el poeta traducido no era más que poseedor de un solo registro, incapaz de emplear otros ritmos. Viene esto además a subrayar nuestra vieja idea de que la traducción de un poema ha de ser realizada teniendo en cuenta el conjunto más que los versos por separado. De igual modo, la traducción de un libro, y más aún la de la poesía toda de un poeta, ha de ser abordada con el criterio de que lo que importa es la visión total, por más que en las partes pueda tomarse el traductor alguna licencia.»

Sie finden die drei Texte auf Fuego con Nieve:

[via Libro de Notas]

  1. Antonio Rivero Taravillo wurde 1963 in Melilla geboren und hat u. a. Texte von Ezra Pound, Tennyson, Graves, Shakespeare, Marlowe, Keats (Auszeichnung mit dem Premio Andaluz a la Traducción Literaria), Flann O’Brien, Jamie O’Neill, Swift, Wells, Melville und Donne ins Spanische übertragen. Quelle: Sevillapedia. []

Buchkunst-Ausstellung zu Ehren von Miguel Hernández

Miguel Hernández Die Staatsbibliothek Hamburg zeigt vom 9.2. bis zum 27.3. 2011 eine Buchkunst-Ausstellung zu Ehren des spanischen Dichters Miguel Hernández.

Sein 100. Geburtstag am 30. Oktober 2010 veranlasste das Buchkünstlernetzwerk librodeartista ein internationales Treffen im Internet zum Thema Künstlerbuch, illustriertes Buch und Kunstedition zu organisieren. Daraus entwickelte sich eine Buchkunstausstellung als Hommage an den Dichter. Hierzu wurden 50 Künstler ausgewählt, die je ein Werk präsentierten, das sich mit Miguel Hernández oder seiner Lyrik auseinandersetzt. Auf diese Weise entstand ein repräsentatives Panorama der Buchkunst zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit Werken von Künstlern aus Spanien, Argentinien, Brasilien, Chile, Italien, Kolumbien, Mexiko und den USA. «La vida desatenta», deren Titel aus der Elegía a Ramón Sijé, einem der bekanntesten Gedichte Hernández‘ stammt, wurde parallel zu anderen Gedenkveranstaltungen in verschiedenen spanischen Städten gezeigt.

M100guel Eines dieser anderen Projekte wird in der Hamburger Ausstellung auch kurz vorgestellt: M100guel. Mehr als 2500 öffentliche Bibliotheken in ganz Spanien erhielten Kästen mit didaktischen Materialien zu den bekanntesten Gedichten von Miguel Hernández. Damit wurden landesweit zahlreiche Aktionen veranstaltet, um Kinder und Jugendliche mit Hernández‘ Werk und dem zeitgeschichtlichen Kontext vertraut zu machen und ihnen einen Zugang zu Bibliotheken zu eröffnen.

Die beiden Veranstaltungskonzepte zeigen die weit gespannte Rezeption von Leben und Werk des Autors: Miguel Hernández ist in Spanien nicht nur als Lyriker und Dramatiker von Bedeutung, sondern auch als Figur der Zeitgeschichte, in deren Leben und Wirkung sich der Bürgerkrieg, der Franquismus, der Übergang zur Demokratie und die gegenwärtige Auseinandersetzung um einen angemessenen Umgang mit dieser Geschichte spiegeln.

Die Kindheit des Dichters war geprägt durch das ländliche Umfeld in seinem Heimatort Orihuela nahe Alicante, wo er als Jugendlicher die Ziegen für den Betrieb seines Vaters hütete und zunächst als Autodidakt in Kontakt zur spanischen Lyrik kam. Sein Werk wandte sich parallel zu der persönlichen und politischen Entwicklung von konventionellen und privaten Themen hin zu sozial engagierter Lyrik und Dramatik, in denen der Bürgerkrieg eine zentrale Rolle spielte.
Nicht nur mit seinen Schriften und seinem politischen Engagement setzte sich Miguel Hernández für die Sache der Republikaner ein, sondern auch als Soldat an der Front. Nach dem Sieg der Franquisten wurde er verhaftet und zum Tode verurteilt – eine Strafe, die nach Protesten aus dem In– und Ausland in 30 Jahre Haft umgewandelt wurde. Durch seinen frühen Tod 1941 entwickelte sich Miguel Hernández neben Federico García Lorca und Antonio Machado zu einem literarischen Märtyrer des verlorenen Bürgerkrieges. Gegen Ende der Franco-Zeit wurden sein Leben und sein Werk unter dem Schlagwort „libertad“ zu einem Symbol für den Kampf gegen die Diktatur und für die entstehende Demokratie.

Auch mehr als 35 Jahre nach dem Tod Francos 1975 bleibt das Verhältnis Spaniens zu seiner Vergangenheit gespalten. Zwar kam es 2010 landesweit zu Ausstellungen, Gedenkveranstaltungen und Ehrungen für den Dichter – aber bisher nicht zu einer Aufhebung des 1940 gegen ihn verhängten Urteils (siehe Artikel El País).

Foto Miguel Hernández, Quelle: Wikipedia