Triumph der Farbe – Fundacíon Mapfre in Barcelona

Ein Gastbeitrag von Nicole Büsing und Heiko Klaas

Fundación Mapfre Barcelona: Casa Carriga-Nogués, © José Hevia
Fundación Mapfre Barcelona: Casa Carriga-Nogués, © José Hevia

Mit Meisterwerken aus dem Pariser Musée d’Orsay und der l’Orangerie wurde jetzt ein vielversprechendes, neues Ausstellungshaus in Barcelona eröffnet: Die Fundacíon Mapfre in der modernistischen Casa Garriga-Nogués. Die in Madrid beheimatete Stiftung weitet ihre Aktivitäten damit auch auf die katalanische Kapitale aus.

Barcelona. Über 600 Straßenkilometer liegen zwischen Madrid und Barcelona. Die seit Jahrhunderten von der Monarchie geprägte Hauptstadt Spaniens mit hochkarätigen Museen wie dem Prado und dem auf zeitgenössische Kunst spezialisierten Museo Reina Sofia, wirkt gemeinhin gesetzter und schwerer als das dynamische, auch internationale Trends setzende Barcelona. Auch zur Zeit erlebt die am Mittelmeer gelegene Stadt wieder eine Phase des Aufbruchs. Die Hauptstadt Kataloniens wird seit Neuestem von Ada Colau, einer jungen Bürgermeisterin und ehemaligen Aktivistin, regiert, die der in der Finanzkrise entstandenen sozialen Bewegung „Barcelona en Comú“ angehört. Das Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA) hat mit dem 1968 in Buenos Aires, Argentinien geborenen Ferran Barenblit gerade einen neuen, vielversprechenden Direktor erhalten. Ebenso die Fundació Antoni Tàpies, zu deren neuem Direktor Ende Juni der Kritiker Carles Guerra ernannt wurde. Zudem zeichnet sich die Stadt durch ihre vitale Galerienlandschaft, ihre avantgardistische Design- und Modeszene sowie die allgegenwärtige Präsenz architektonischer Highlights von Antoni Gaudí über Mies van der Rohe bis zu Santiago Calatrava aus.

Fundación Mapfre Barcelona: Casa Carriga-Nogués, © José Hevia
Fundación Mapfre Barcelona: Casa Carriga-Nogués, © José Hevia
Fundación Mapfre Barcelona: Casa Carriga-Nogués, © José Hevia
Fundación Mapfre Barcelona: Casa Carriga-Nogués, © José Hevia
Fundación Mapfre Barcelona: Casa Carriga-Nogués, © José Hevia
Fundación Mapfre Barcelona: Casa Carriga-Nogués, © José Hevia

Die Fundación Mapfre aus Madrid hingegen versteht sich seit Aufnahme ihres Ausstellungsprogramms 1988 als eine Art Joker im Bereich kultureller Felder wie bildende Kunst, Fotografie und Literatur. Die Stiftung der größten Versicherungsgruppe in Spanien und Lateinamerika war zunächst angetreten, in Madrid mit einem elaborierten Ausstellungsprogramm die Lücken zu schließen, die staatliche Museen offen lassen. Seit der Gründung des Kunstsektors der Fundación Mapfre im Jahr 1988 ist Pablo Jiménez Burillo mit an Bord, zunächst als Pressesprecher, heute als Direktor. Unter ihm erarbeitete die Fundación Mapfre ein klares Profil: Sie entwickelt einerseits Ausstellungen aus der Epoche der aufkommenden bis zur späten Moderne mit Kunst von 1850 bis 1950 und zeigt als zweiten Schwerpunkt monografische Fotografieausstellungen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis hinein in die Gegenwart, die häufig zusammen mit internationalen Partnermuseen entwickelt werden. Somit besetzt sie Themen und zeigt Künstler, die in Spanien an anderen Orten bisher kaum zu sehen waren. Parallel dazu baut die Fundación Mapfre eine eigene Sammlung auf mit den Schwerpunkten Zeichnung und Fotografie – beides bisher ebenfalls unterrepräsentiert in den staatlichen spanischen Museen.

Vincent van Gogh Portrait de l'artiste, tardor de 1887 [Autoretrat]
Vincent van Gogh Portrait de l’artiste, tardor de 1887 [Autoretrat] Oli sobre tela, 44 x 35,5 cm Musée d’Orsay, París Donació de Jacques Laroche, 1946 RF 1947-28 Photo © Musée d’Orsay, Dist. RMN-Grand Palais / Patrice Schmidt

Was bisher in Madrid gut funktioniert hat, soll nun auch in Barcelona klappen. Die Fundación Mapfre ist angetreten, um in Zukunft auch in der reichen Kulturlandschaft Kataloniens zum neuen „Lead Player“ zu werden. Um jetzt sofort Präsenz zu zeigen, mietete die Stiftung ein architektonisch interessantes Gebäude im eleganten Stadtteil Eixample als neues Ausstellungshaus an. Die Casa Garriga-Nogués wurde um die letzte Jahrhundertwende zunächst als Privatpalast für die Bankiersfamilie Garriga-Nogués errichtet. Sie gilt als Ikone des katalanischen Modernismus. Nach dem Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs 1936 wurde das Gebäude zunächst als Religionsschule und später von verschiedenen Stiftungen genutzt und 2008 denkmalgerecht renoviert. Die Ausstellungsfläche beträgt 2.000 Quadratmeter auf zwei Etagen, die von einer imposanten Marmortreppe miteinander verbunden werden.

Henri-Edmond Cross L’Après-midi à Pardigon, 1907 [Tarda a Pardigon]
Henri-Edmond Cross L’Après-midi à Pardigon, 1907 [Tarda a Pardigon] Oli sobre tela, 80,7 x 65 cm Musée d’Orsay, París Donació de la comtessa Vitali en record del seu germà, el vescomte Guy de Cholet, 1923; dipositat al Musée des Beaux-Arts de Nancy, 2012 RF 1977-125 Photo © RMN-Grand Palais (musée d’Orsay) / Gérard Blot

Gleich die Eröffnungsausstellung ist ein Paukenschlag. Mit der sehenswerten Schau „Triumph der Farbe. Von Van Gogh bis Matisse“ zeichnet Isabelle Cahn, die Chefkonservatorin des Pariser Musée d’Orsay, in vier Kapiteln den Weg vom Neo-Impressionismus über die Schule von Pont-Aven und die Künstlergruppe der Nabis bis zur farbenfrohen Interieurmalerei von Henri Matisse nach. Alle 70 Leihgaben stammen aus dem Musée d’Orsay und dem Musée de l’Orangerie in Paris. Eindrucksvolle Meisterwerke wie das paradiesisch wirkende Gemälde „L’Après-midi à Pardigon“ (1907) von Henri-Edmond Cross oder das geheimnisvoll düstere Industriegemälde „Usines près de Charleroi ou Aciérie à Charleroi“ (1897) von Maximilien Luce markieren die Epoche des Post-Impressionismus mit seinen Hauptvertretern Georges Seurat, Camille Pissarro und Paul Signac.

Paul Sérusier La Lutte bretonne, entre 1890 i 1891 [La lluita bretona]
Paul Sérusier La Lutte bretonne, entre 1890 i 1891 [La lluita bretona] Oli sobre tela, 91,5 x 72 cm Musée d’Orsay, París Llegat d’Henriette Boutaric, 1984 RF 1984-10 Photo © RMN-Grand Palais (musée d’Orsay) / Hervé Lewandowski

Diese Künstler waren vertraut mit der wissenschaftlichen, chemischen Farblehre und setzten kleine Farbpunkte kompositorisch aneinander, um stimmige, flirrende Motive zu erzielen. Die in der Technik des Pointillismus entstandenen Bilder setzen sich erst auf der Netzhaut des Betrachters zusammen. Ab 1860 dann entsteht im beschaulichen Örtchen Pont-Aven in der Bretagne eine kleine Künstlerkolonie um die Maler Paul Gauguin und Émile Bernard. Ihre Aufassung von Farbe spiegelt die Innerlichkeit der Figuren und Szenen wieder. Die Ausstellung versammelt Meisterwerke aus dieser Zeit wie etwa Bernards „Baigneuses à la vache rouge (1887), ein Gemälde, das unbekleidete badende Damen an einem stilisierten, knallgelben Strand zeigt und als Akzent in der linken oberen Bildecke eine rote Kuh. Auch für die Gruppe der Nabis um Pierre Bonnard, Paul Sérusier und Maurice Denis spielt die flächig aufgefasste Farbe eine wichtige Rolle. Symbolistische und mystische Bilder wie Paul Ransons ornamental angelegtes Bild „La Sorcière au chat noir“ (1893) setzen die Farbe fast abstrahierend ein, während der Schweizer Félix Vallotton große, klare Farbflächen zu realistischen Darstellungen von Menschen und Interieurs einsetzt. Seine ungewöhnlichen Bilder zeigen gemeinhin eher als nicht bildwürdig betrachtete Sujets wie den dritten Rang eines Theaters, den Schminktisch einer Cocotte oder die unaufgeräumte Wohnung des Künstlers. Weitere Highlights sind Werke von Paul Cézanne, Édouard Vuillard, Odilon Redon oder zum Abschluss der klug kuratierten und inszenierten Schau zwei zum Vergleich auffordernde Akte von Pablo Picasso und Auguste Renoir.

Félix Vallotton Femme se coiffant, 1900 [Dona pentinant-se]
Félix Vallotton Femme se coiffant, 1900 [Dona pentinant-se] Guaix sobre cartró, 60,8 x 80,3 cm Musée d’Orsay, París Adquirit a l’artista per l’Estat al Salon d’Automne de 1903, 1904 LUX 571 Photo © RMN-Grand Palais (musée d’Orsay) / Michel Urtado

Folgt dem beim katalonischen Publikum sicherlich zum Renner werdenden „Triumph der Farbe“ auch der Triumph der Fundación Mapfre als neuer Big Player in der Kunstszene von Barcelona? Emilio Alvares, international vernetzter Galerist in Barcelona und Organisator der Videomesse Loop, jedenfalls begrüßt die neue Institution: „Im Moment tut sich sehr viel in Barcelona“, sagt er. „Die Fundación Mapfre setzt eigene Schwerpunkte hier in der Kunstszene. Ich sehe sie als eine Bereicherung an.“

Paul Gauguin Femmes de Tahiti ou Sur la plage, 1891 12 [Dones de Tahití o A la platja]
Paul Gauguin Femmes de Tahiti ou Sur la plage, 1891 [Dones de Tahití o A la platja] Oli sobre tela, 69 x 91,5 cm Musée d’Orsay, París Donació de la comtessa Vitali en record del seu germà, el vescomte Guy de Cholet, 1923 RF 2765 Photo © RMN-Grand Palais (musée d’Orsay) / Hervé Lewandowski

Auf einen Blick:

Ausstellung: Triumph der Farbe. Von Van Gogh bis Matisse. Sammlungen der Museen Musée D’Orsay und Musée de l’Orangerie

Ort: Fundación Mapfre, Barcelona

Zeit: bis 10. Januar 2016, Mo 14-20 Uhr, Di-Sa 10-20 Uhr, So 11-17 Uhr

Katalog: 204 Seiten, zahlreiche Farbabb., in spanischer und katalanischer Sprache, 34,90 Euro

Internet: www.fundacionmapfre.org

Paul Sérusier Portrait de Paul Ranson en tenue nabique, 1890 [Retrat de Paul Ranson vestit de nabí]
Paul Sérusier Portrait de Paul Ranson en tenue nabique, 1890 [Retrat de Paul Ranson vestit de nabí] Oli sobre tela, 61 x 46,5 cm Musée d’Orsay, París Adquirit el 2004 RF 2004-8 Photo © RMN-Grand Palais (musée d’Orsay) / Hervé Lewandowski


Nicole Büsing und Heiko Klaas sind seit 1997 als freie Kunstjournalisten und Kritiker für zahlreiche Magazine, Tageszeitungen und Online-Magazine tätig. Daneben schreiben sie auch Katalogbeiträge. Sie gehören zum Autorenteam des BMW Art Guides, der im Hatje Cantz Verlag erscheint. Sie leben in Hamburg und Berlin.

Regelmäßige Veröffentlichungen über Kunst und Kunstmarkt z.B. in Monopol, Artmapp, Hatjecantz.de, Artist, Weltkunst, Stadtflair, Spiegel online, DARE, Kunstmarkt.com, Kultur & Gespenster, Photonews, Kunsttermine, Zeitkunst, Der Kunsthandel, Next Level, Art, Die Welt, Der Tagesspiegel, Szene Hamburg, Berliner Morgenpost, Paris Berlin Mag, Argentinisches Tageblatt, diverse regionale Tageszeitungen wie Kieler Nachrichten, Weser-Kurier, Neue Osnabrücker Zeitung, Saarbrücker Zeitung, Südkurier, Nürnberger Nachrichten, Flensburger Tageblatt, Freie Presse etc.

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